2/24/2015

Es zwitschert schon


Gedankenfäden


Sheng Fui, Thai Chi, Hatschi und andere Geräusche- suggerierende  Philosophien aus dem Fernen, Mittelfernen und Nahen Osten besagen, dass man einen Baum umarmen soll, um die eigene Körperhaltung zu korrigieren.

Wenn dem so ist, müsste mich mein Mann schonungslos für paar Stunden um einen Baum binden. Effektiver wäre es für paar Tage, nur fürchte ich, dass auch diese Maßnahme zu spät käme. Bei jungen Menschen soll das Baumumarmen erfolgreich wirken. Nur ist, meiner Meinung nach, eine Umarmung ein Akt von Sekunden. Wie lange muss man denn um einen Stamm gewickelt sein, bis man eine Haltung hat wie ein Baum?

Ich muss gestehen, im vergangenen Sommer stand ich vor einem solchen und konnte mich an ihm nicht satt sehen. Bäume sind für mich etwas Magisches. Ich könnte nie in einem Haus wohnen, in dessen Nähe kein Baum steht. Bäume sind für mich die Löwen der Flora.

Nun weilte ich vor diesem Riesen und plötzlich kam mir der Gedanke, umarme ihn mal. Ich schaute mich verstohlen um. Kein Mensch in der Nähe, nur ich und der Baum waren da.  Und natürlich alle anderen Bäume im Park um uns herum.

Ich verkniff mir mein Lachen, nahm allen Mut zusammen, um die aufsteigende Peinlichkeit zu besiegen und griff zu.

Der Baum war knorrig, hart und kalt. Ich versuchte ernslich eine innere Verbindung zwischen uns aufzubauen. Schloss die Augen und versuchte dieses dämliche Lachen zu ignorieren, das in meiner Bauchgrube zu vibrieren begann.

Just in diesem Moment ertönte eine jugendliche Stimme. "Geht es Ihnen nicht gut?"

Ich löste mich, wie ein beim Naschen ertapptes Kleinkind, vom Baum und sah vor mir einen jungen Mann neben seinem Fahrrad stehen.

Der Kraftaufwand, mein Lachen zu erwürgen, die Peinlichkeit zu unterdrücken und die Ratlosigkeit musste meinem Gesicht Unheimliches angetan haben.
Der junge Mann sah erschrocken zu mir rüber.
"Kann ich irgendwie helfen?"

Ich zwang mich zu einem freundlichen: "Nein, nein, vielen Dank. Es ist alles in Ordnung."
Ich konnte es kaum erwarten, bis das Fahrrad verschwunden war und brach in ein Gelächter aus, das mir auf dem kurzen Nachhauseweg noch manchen verwunderten Blick bescherte.

Bäume sollte man nur umarmen, wenn einem der Rest der Welt richtig schnuppe ist. Ich möchte meist immer die ganze Welt umarmen.