4/20/2015

An meinem Seelenwall bricht so manche Welle. Schön, dass man das Klirren der Scherben nicht hört.




Gedankenfäden
 

Es ist 7:12 Uhr.
Mein Mann ist im Krankenhaus. Die Enkelin, die bei mir geschlafen hat, geht zur Arbeit.

Ich fühle mich einsam und verlassen.
Die Stadt wird lebendig. Also öffne ich das Fenster, um dem Leben da draußen ein wenig näher zu rücken.

Was macht man, wenn man in der Hochparterre ein Fenster öffnet? Man sieht automatisch aus dem Fenster und nicht ins Zimmer zurück. Niemand würde mit dem Rücken zum Fenster dieses öffnen wollen oder können. Also öffne ich das Fenster und schaue automatisch auf die Straße.

Das Fenster ist nicht mehr das Jüngste und lässt sich immer nur mit einem gewissen Geräusch öffnen. Ein männlicher Irgendwer geht vorbei und dreht sich auf das Geräusch hin spontan um.

Jetzt darfst du raten, was er vor hat,
a) er lächelt mich an,
b) er sagt „guten Morgen, Einstein“,
c) er fragt „brauchst du einen Handwerker?“
d) er geht einfach weiter.

Egal, was du jetzt geraten hast, du kennst den Berliner nicht. Der hier gafft und dann schnautz er mich an: „Wat kieckste so blöd?“

Noch bevor ich vor lauter Betroffenheit in Ohnmacht fallen kann, schreit von der gegenüberliegenden Seite der Straße eine schrille Frauenstimme meinen Kreislauf wieder zurecht.


„Lukas, kommst du gleich zurück! Lukas! Lukas!“


Sie hat eine Leine in der Hand und in einer kleinen Entfernung vor ihr läuft etwas auf der Straße, das auch eine Ratte sein könnte. Wahrscheinlich ist es aber ein Lukas.

Kinder, ich will dem Leben ja gerne nahe sein, aber das Leben da draußen springt mich heute derart kühl und unfreundlich an, dass ich lieber in mein Innenleben zurückkehre. Und da drin herrscht noch so viel Unmut, dass ich, selbst wenn mein Mann zur Tür hereinkäme, mich momentan nicht so leicht auf egalwelchen Homosapiens einlassen könnte.

Kikilein, wo bist du?