Geschichten zum Schmunzeln (Rechtschreibfehler, bitte nicht beachten)



Blasmusik

Wo wir grade vom Klimawandel sprechen…
Nicht nur die Natur bläst aus dem letzten Ozonloch. Nee, auch die Berliner Stadtreinigung.
Hol mir grade eine Möhre aus dem Suppentopf, als das Gewitter losgeht. Die Möhre fällt in die Suppe zurück, mein Mund bleibt offen und im Schulterbereich spannen sich alle Muskeln und Nervensträhnen, falls es im Schulter-bereich sowas überhaupt gibt.
Meine Gehörgänge sind verstopft von dem höllischen Lärm auf der Straße. Die Laubsauger sind unterwegs. Ach! Was sage ich da? Die Laubbläser sind unterwegs.
Nun weiß ich, dass die Geräte diesen Namen führen, nur weiß ich nicht, ob die, die diese Geräte führen, auch Laubbläser sind? Vielleicht Laubbläseristen oder Laubblastroniker? Denn im Namenerfinden sind die Deutschen nicht zu schlagen. Offiziell kenne ich diesen Beruf nicht, der sicherlich eine gründliche Umschulung vom Besen zu diesem Blasgerät erfordert hat.
Ich nenne die Bläser mal Udo, Uwe, Ahmet, Serkan, Dieter, Kalle, Horst und Schlemmer. Ja, sie sind acht an der Zahl, möglicherweise auch zehn, aber aus meinem Fenster kann ich nur Udo, Uwe, Ahmet, Serkan, Dieter, Kalle, Horst und Schlemmer sehen. Breiter kann ich mein Fenster nicht schlagen.
Udo, Uwe, Ahmet und Serkan blasen von der rechten Straßenseite, Dieter, Kalle, Horst und Schlemmer, blasen von links.
Die Blätter, die Uwe verbläst, fliegen eigenwillig dahin, wo Udo, sein Nebenbläser, grade die Straße entblasen hat. Anderseits fliegen die Blätter, die Uwe verblasen hat, dahin, wo Ahmet eifrig seine Blastechnik einsetzt.
Die Blätter fliegen in Formation von Serkan  rüber zu Schlemmer, um dann von Schlemmer wieder in Richtung Serkan zu fliegen. Von Udo zu Kalle, von Kalle zu Udo. Von Ahmet zu Horst, von Horst zu Ahmet. Wie der Tanz der Ballerinas am Bolschoitheater. Es fliegt, es fliegt, aber es brummt und surrt auch, als käme die Apokalypse.
Was Kalle unter den Autos hervorgeblasen hat, landet auf der Straßenmitte, wohin Uwe grade seinen tragbaren Bläser richtet, um es wieder unter ein anderes Auto zu pusten.
Letztendlich sind dann doch mehr Blätter auf der Straßenmitte, schon weil man die unter den Autos nicht sehen kann. Dann kommt dieser große Kehr- und Saugwagen, der den Lärm ins Unerträgliche treibt. Bleibt fast kein Blatt unberührt.
Achso. Danach kommt noch ein kleiner Kehr- und Saugwagen, der eine Funktion hat, die ich nicht nachvollziehen kann. Spuren verwischen, oder so.
In 15 Minuten ist es wieder still. Dann kommt nochmal der Spurenverwischer zurück, um auch die entgegengesetzte Straßenseite zu bebrummen. Als wieder der graue Alltag einkehrt, bläst der Nordwind weiterhin den Rest der Blätter von den Bäumen.
Welch ein Einklang zwischen Mensch und Natur.

© Lisa Nicolis

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Schlaflos im (…)Seattl

Ich habe mich schon seit langem von meinem Mann getrennt.
Eigentlich hat er sich von mir getrennt. Nein, besser gesagt, ich habe ihm den Anstoß gegeben, sich von mir zu trennen. Noch besserer gesagt, er hat mir das Motiv gegeben, ihm den Anstoß zu geben, sich von mir zu trennen, weil ich dann folgerichtig auch von ihm getrennt bin. So isses richtig.
Das kam so. Mein Mann schnarcht fürchterlich und als ich eines Nachts nicht schlafen konnte, weil er die Luft in Stücke zersägte, kam es zur Ehekrise.
Ich lag neben ihm, er mit dem Gesicht zu mir und trötete mir direkt ins Ohr. Schubsen half nicht, pfeifen brachte nichts, in die Hände klatschen war vergeblich, also aktivierte ich meinen rechten Fuß und trat nach links, wo er lag, gegen sein Schienbein.
Wer meinen Mann nicht kennt, der kann auch nicht wissen, dass er aus Stahl zu sein scheint. Ich fragte mich schon immer, welches Material meine Schwiegereltern verwendet haben, als sie ihn zeugten.
Der Schienbeintritt half dementsprechend auch nicht. Da trat ich nochmals nach besagter Stelle, weil das Schnarchen immer nur kurz abgebrochen war. Beim dritten Mal hintreten erwischte mich ein Krampf, den ich nur schwer wieder loswerden konnte. So entschied ich mich, ihm zwei Tempotaschentücher, saubere, möchte ich betonen, zwischen die Zähne zu klemmen.
Er tat so, als wolle er ersticken, aber auch nur, um mich zu erschrecken, fischte sich die Taschentücher aus dem Mund und während ihm noch Reste am Gaumen klebten, schimpfte er mich gründlich aus.
Ich wehrte mich, schließlich sei sein Schnarchen einfach unerträglich und auch ein Attentat auf mein eigenes Leben. Die Tempos waren nur meine Notwehr.
Ich soll ja nicht meinen, dass ich nicht schnarche, widersprach er entrüstet, worüber ich mich nur ärgern konnte.
So nah, wie ich mir bin, ist mir nie jemand getreten und ich hätte somit hören müssen, wenn ich schnarche. Habe ich aber nicht. Ergo, schnarche ich nicht.
Ich wollte, beleidigt gespielt, im Wohnzimmer meine neue Schlafstelle einrichten, doch er sprang, ganz Gentleman, dazwischen und sagte triumphierend, er wird für alle Zeiten dahin ziehen und ich soll sehen, wie ich ohne ihn zurechtkomme. Das war es, worauf ich seit unserer Hochzeit vor -zig Jahren gewartet hatte.
Somit sind wir getrennte Leute. Leider nur nachts.
Nun sind meine Kinder aus Italien über die Weihnachten zu Besuch und ich muss zwangs-läufig bei meinem Mann im Wohnzimmer schlafen. Auf der Molly, wie er seine zweischenklige Couch nennt.
Molly ist breit genug, hat aber so knackige Schenkel, dass nur das Stahlgerüst meines Mannes diese Härte ertragen und dabei ungestört sein Sägewerk betreiben kann. Aber Jammern hilft nichts. Also versuchen wir es in L- Formation miteinander.
Als es heute Nacht nichts mehr half, mit einem Pantoffel und Chipstüten nach ihm zu werfen, nahm ich ein Sitzkissen, meine Decke, meine Augenringe, den einen Pantoffel, den ich noch ertasten konnte und während selbst die Luft, die ich einatmete, vibrierte, entfloh ich ins Bad. Hier warf ich das Sitzkissen auf den Clodeckel, ummantelte das Waschbecken mit Handtüchern und, in meine kuschelige Decke gehüllt, versuchte ich, morgens um vier, wenigsten einen Fingerhut voll Schlaf zu erwischen.
Doch schlafen konnte ich nicht. Meine Gedanken waren überall, nur nicht im Schlafgemach meines zermarterten Gehirns.
Ich war plötzlich froh, dass wenigsten meine alljährlichen Gäste, der alte Noel und seine süße Frau, die Mary Christmas wieder am Nordpol angelangt sind. Schön war’s mit ihnen, aber man freut sich über Gäste am meisten, wenn sie wieder abzischen. Dem Reisenden steht halt der Weg am besten, sage ich immer.
Ich konnte meine Ruhe nicht finden. Dabei dachte ich, vielleicht schlafe ich doch ein und rutsche zwischen der Duschwand und’s CloSeattle durch und da schneidet mich kein Feuerwehrmann mehr heraus.
Ich nahm meine Decke, meine Augenringe, meine Lachfalten und ging wieder rüber auf Mollys Schenkel.
Achso. Zwei Tempotaschentücher hatte ich auch dabei.

© Lisa Nicolis

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Urlaub- Urlaut

Nach sechzehn Stunden hält der Bus vor dem Hotel in Finale Ligure.
Mir war es, seit der Abfahrt aus Berlin, vergangene Nacht um dreiundzwanziguhrdreißig, bis kurz vor der Ankunft, speiübel. Nicht das erste Mal in meinem Leben, aber nie fünfzehn Stunden hindurch, inmitten von 46 Fahrgästen, inklusive mich, eingepfercht zwischen meinem dampfenden Mann, der viel zu warmen Heizung am linken Bein und der kalten Nacht, die an der eiskalten Scheibe an meiner linken Schulter klebte.
Jeweils nach zwei Stunden beruhigte ich mich, doch weil eine geheime Statistik sagt, dass der deutsche Rentner alle zwei Stunden mal muss, musste ich auch alle zwei Stunden, wie ein Lemming, hinter den anderen das Innenleben der Autobahnraststätten erkunden. Um nachher wieder zu leiden, bis sich mein Unwohlsein nach circa zwei Stunden erneut etwas zurechtgerüttelt hatte. Und nach diesem Intervall grüßte wieder das Murmeltier. Und Innocentia Quark.
Innocentia Quark heißt nicht Innocentia Quark, doch ich habe Innocentia Quark aus der Taufe gehoben und zwar im vergangenen Jahr, als wir zusammen die Cinque Terre rauf und runter fuhren. Vielleicht heißt sie schlicht nur Agathe Bauer.
Ich saß in diesem Jahr in der vierten Reihe links am Fenster, und sie in der vierten Reihe rechts am Fenster. Von dort fixierte sie mich fünfzehn Stunden lang. Vielleicht hatte sie den bösen Blick und ich litt deswegen so fürchterlich. 
Irgendwo, als wir vor einer Toilette mit Tür ohne Klinke standen, sah ihr kleiner IQ treuherzig aus den großen braunen Augen zu mir hoch und ihr schmaler Mund sagte:
„Ich kenne Sie doch von der Islandreise her!“
„Vergangenes Jahr Cinque Terre“, wagte ich zu widersprechen.
„Ja, genau, von Island her“, sagte sie zufrieden und ich bin kein Unmensch.
Als ich aus dem Bus steige, schnappt mich sofort die 35°-ige Hitze, getränkt mit 85%-iger Luftfeuchtigkeit und quetscht den Rest der Flüssigkeit aus mir, der zwischen dem dampfenden Angetrauten und der mittlerweile glühenden Scheibe übriggeblieben war.
Ich halte meinen Mantel, den ich des Oktobers wegen mitgeschleppt habe, krampfhaft fest und stehe in einer Schlange an, wo man schließlich als Belohnung einen Schlüssel mit einem bleischweren Anhängsel mit Zimmernummer bekommt. Aber erst, wenn man der alten Frau am Empfang, der eher nach einem Altar aussieht, alle erforderlichen Papiere gezeigt hat: Ausweis,Geburtsurkunde,Ehevertrag,Führerschein, Bonuspunkte bei Penny, Stammbaum bis hin zu Adam und Eva und natürlich die Reise-unterlagen. Oh, auch nicht genug. Die des Mannes müssen auch her. Nur wo ist mein Mann? Ein ganzes Jahr hindurch werde ich ihn nicht los und wenn ich ihn mal brauche, ist er nicht anwesend.
Dann, nach einem harten Kampf, zwischen 46 Fahrgästen, inklusive mich, 78 Koffern und Taschen, zwei Fahrern, drei Angestellten, dem alten Hausdrachen, den ein Gast später als Schleiereule betiteln wird und 149 Vasen in allen Größen und Farben, überall dort, wo man leicht drüberfallen kann, halb ohnmächtig an meinem Mantel festgeklammert, endlich das erlösende Zimmer 205. Duocentocinque.
Die Rollos sind unten, es ist dunkel und es ist schwül. Sehr, sehr schwül.
Ich ziehe die Rollos hoch, reiße die Fenster auf, aber es bringt nichts, als die tief hängenden Wolken herein, und neue Flüssigkeit setzt sich auf meine Haut fest. Tropfen, die vor Tagen aus irgendeiner Kloake in Mumbay verdunstet sind, oder aus dem toten Meer, oder aus einem Eisberg aus Spitzbergen, oder was weiß ich von wo.
Ich werfe mich entkräftet auf das Feldbett mit der rutschigen Matratze. Mein Mantel liegt friedlich neben mir. Es wird mir sofort bewusst, dass ich das Glück habe, mein Bett mit einer recht geringen Anzahl von Milben teilen zu müssen, da Milben bekanntlich Metall nicht mögen. Meine Knochen werden nach vier Nächten das Gleiche behaupten.
Ich mache einen fatalen Fehler. Ich gehe duschen.
Die Tür zum Bad öffnet sich und blockiert die Eingangstür. Mein Mann treibt sich irgendwo herum und wird staunen, wenn er wiederkehrt, dass die Tür zum Paradies für ihn unbezwingbar ist. Zum Glück bemerke ich die Stufe zum Bad, die man leicht nach oben fallen kann, sonst hätte ich meine Zähne im Waschbecken auflesen müssen. Erschrecke, denn die erste Fliese, auf die ich trete, macht ein höllisches Geräusch. Die anderen verhalten sich aber doch manierlich.
Die Toilette kann man nur benutzen, wenn man mit dem einen Fuß in der Duschwanne steht, denn vor der Schüssel haben zwei Füße nebeneinander keinen Platz. Dafür drückt man vergeblich den stolz glänzenden Knopf der Spülung, denn der hat seinen Geist wohl gleich nach seiner Montage aufgegeben. Doch wenn man an der Kette ohne Griff, die über der rechten Schulter baumelt, kräftig zieht, erbarmt sich ein mickriger Wasserstrahl, die ihm zustehende Pflichten zu erfüllen.
Duschen belebt und macht frisch. Umsomehr, wenn man danach ein Handtuch benutzt, das sich wie grobes Schleifpapier anfühlt! Schmirgel macht lustig und ich werde tatsächlich etwas lebendiger. Doch diese Tätigkeit gebe ich bald auf, denn jetzt schießt das Wasser aus all meinen Poren und ich liege wieder da wie ein brutzelnder Kugelfisch im eigenen Saft, auf diesem, in steifgestärkten Laken verkleideten Grill und leide.
An diesem Spätnachmittag gehen wir nicht mehr außer Haus. Es ist trüb, es blitz und donnert und es sieht nach Weltuntergang aus. Vom Balkon sieht man am Ende der Straße das tiefdunkle Meer mit den tiefdunkleren Wolken drüber. Ich bewundere Menschen, die jetzt wie ein Salatblatt zwischen diesen Himmel- und Meeressandwichscheiben unterwegs sind. Brrrr! Doch Langeweile kommt auch bei mir nicht auf, denn ich beschäftige mich damit, mich an die neuen Geräuschkulissen zu gewöhnen. Das Haus und die Straße haben ein eigenartiges Echo.
Wenn zwei deutsche Nachbarinnen, weit nach Mitternacht, auf dem Balkon miteinander sprechen, hallt es dreimal wider. Sprechen zwei Italiener auf der Straße miteinander, hallt es fünfzehnmal wider. Bei zwei Italienerinnen hallt es dann fünfundvierzigmal wider und das in den verschiedensten Tonlagen, denn bei jedem dritten Wort entfernen sie sich voneinander immer mehr, weil sie ja nachhause eilen. Und je größer die Distanz zwischen ihnen wird, desto lauter werden sie und das Echo freut sich dreiundsechzigmal. Wenn sie hundert Meter voneinander entfernt sind, schreien sie sich noch immer an, dass man denkt, gleich geht eine Vendetta los. Dabei erzählen sie sich nur, wie toll das neue Pastarezept schmeckt. Und das hundertdreiund-siebzimal widerhallend.
Geht einer der Nachbarn ins Bad und macht das Licht an, und man muss es einschalten, weil es kein Fenster gibt, dann bläst die Lüftung gleich automatisch wie ein schottischer Dudelsacker los. Auch in der gleichen Lautstärke. Lustiger wird es, wenn sie auch noch duschen, die lieben Nachbarn. Das klingt, als würde es Zinnsoldaten regnen.
Mein Mann schlägt sich den Schädel schon das dritte Mal an dem nur halb hochgezogenen Rollo an der Türe zum Balkon ein, ohne dass es ihm in den Sinn kommt, diesen richtig hochzu-ziehen. Dabei schimpft er, dass die Wände wackeln.
Diese wackeln auch, wenn alle zweiundsiebzig Sekunden ein Motorrad vorbeischeppert, vorbei-donnert, vorbeistottert oder vorbeir-attert. Wenn in einer Pause von siebenund-zwanzig Sekunden fünfzig Personenwagen vorbei-flitzen, ist das wie Grabesstille.
Am Hotel vorbei fließt ein abgespeckter Fluss oder ein vollgefressenes Bächlein, wie man’s nimmt. Man hört ihn oder es nicht rauschen oder plätschern, was für einen auch noch so abgespeckten italienischen Fluss ungewöhnlich ist, weil halt alles Italienische ringsherum lauter ist.
Die Wildenten, zum Beispiel, die da scheinbar zuhause sind. Herrgott, haben die ein schrilles Geschnatter drauf!
Beim Abendessen geistert die alte Nona um die Tische. Sie hat die Augen überall, schaut in alle Teller rein, sammelt pedantisch jeden einzelnen Bon ein, nicht ohne ihn minutenlang zu untersuchen, ob er auch gültig ist. Wo sie etwas Unregelmäßiges bemerkt, muss eine Angestellte dolmetschen, bis die Sache geklärt ist.
„Schleiereule“, schimpft mein Tischnachbar, weil er den falschen Essensbon mitgenommen hat und jetzt die Schuld auf diese arme Frau abwälzen will.
Nachts stelle ich fest, dass ein Mitgereister, oder eine Mitgerissene, oder wie immer die Mehrzahl von weiblichen Mitgereisten zu bilden wäre, meine Nachtruhe sehr beeinträchtigen wird. Kann das Geschlecht der Störquelle nicht festlegen, weil das ununterbrochene Schnarchen neutral klingt.
Als ich morgens um drei das Apogäum meiner Geduld erreicht habe, trage ich mich mit dem Gedanken, den einzigen Stuhl, den wir zeitweilig besitzen, an die Wand zu knallen. Wenn ich nur wüsste an welche Wand, denn ich weiß bei Gott nicht, ob das gemeine Sägen von links, von rechts, von oben oder von unten kommt.
Halleluja! Jetzt ist der Faden der Geduld auch einem anderen Nachbarn gerissen und grade wirft der seinen Stuhl an die Wand.
Zu früh gefreut! Den (die) Schnarcher(in) hat es nicht beeindruckt. Es war wohl die falsche Wand.
Wer jetzt denkt, ich nörgle nur, der ist auf dem Holzweg. Das hier ist ein Tatsachenbericht und außer meinem Übelsein und dem nächtlichen Schnarcher, stört mich hier garnix. Es ist Italien, wie es leibt und lebt und wie ich es liebe. Jedes Jahr brennt mir eine Träne im Herzen, wenn ich das Land wieder verlassen muss und in diesem Jahr wird mir erst ein Schneegestöber in den Schweizer Alpen, bei San Bernardino, dieses Feuer löschen.
Ausflüge nach Nizza, Cannes, Monte Carlo haben mich zum Schreiben nicht inspiriert. Von da habe ich nur schöne Bilder mitgenommen. Es war einmalig, sie zu sehen, aber das wahre Leben tobt in den engen Gassen meiner Traumwelt.
Mia bella Italia!

© Lisa Nicolis

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Evolutionstheorie



Kai und Uwe sitzen, müde vom Spiel, auf einer Bank im Park.
Kai: Habt ihr im Religionsunterricht auch von Adam und Eva gelernt?
Uwe: Mein Papa sagt, es gab keine Eva und keinen Adam.
Kai: Doch, die gab es. Meine Lehrerin weiß es besser.
Uwe: Nein, mein Papa ist superklug und der weiß mehr als alle anderen. Es gab nie, nie, nie Adam und Eva.
Kai: Und wer hat dann die Menschen gemacht?
Uwe: Niemand. Die waren zuerst im Meer, da bei Ägypten und waren ganz klein und sind herumgeschwommen.
Kai: Die waren so klein? Wie Frösche?
Uwe: Noch kleiner. Wie Kaulquappen.
Kai: Und die Kaulwapper heißten Adam und Eva?
Uwe: Bist du doof! Waren im Meer wohl Kirchen, wo man die Kaulquappen taufen konnte? Die Kaulquappen hießen Kaulquappen.
Kai: Aber wer hat die Kaulwapper Kaulwapper getauft?
Uwe: Das ist nicht getauft. Jedes Tier hat einen Namen und der wurde nicht getauft.
Kai: Und dann haben die Kaulwapper Menschen gemacht?
Uwe: Bist du doof! Die sind zuerst gewachsen. Und als sie dann groß genug waren, sind sie in Ägypten ans Land gekrochen.
Kai: Ist Egüpta in Deutschland?
Uwe: In Deutschland! Ägypten ist weit weg in Südafrika, da, wo die Pyramiden stehen.
Kai: Und da haben die Kaulwappa in den Pyramiden gewohnt und die Menschen gemacht.
Uwe: Jetzt waren sie keine Kaulquappen mehr. Sie waren Ägypter. Und dann sind ihnen Haare gewachsen und Beine und sie sind schnell auf die Bäume geklettert, weil alles voller Hypopotaner und voller Brontosaner war.
Kai: Und die Brontosaner waren größer als die Egüpta?
Uwe: Sehr viel größer.
Kai: Und wann haben die Egüpta die Menschen gemacht?
Uwe: Zuerst mussten sie Affen werden. Die haben dann die Hypopotaner vertrieben.
Kai: Aber die Affen sitzen doch alle im Zoo und nicht in Egüpta. Wie konnten sie da die Menschen machen?
Uwe: Früher lebten sie in Ägypten. Dann sind den Affen zuerst die Haare ausgefallen und sie haben sich Kleider aus den Fellen der Tiere gemacht.
Kai: Damit sie im Winter nicht frieren?
Uwe: Bist du doof! In Ägypten ist es immer warm gewesen.
Kai: Und warum haben die Affen dann Pelze getragen?
Uwe: Nachdem sie sich Kleider gemacht haben, waren es keine Affen mehr. Sie wurden zu Homosapiensen.
Kai: Und diese Homosexellen haben dann die Menschen gemacht?
Uwe: Ach was! Ich gehe spielen. Frag doch morgen deine Lehrerin.
© Lisa Nicolis

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Rentiere in Sanssouci

Nachdem ich schon paar Male versuchte, Sanssouci zu sehen und es mir wegen meinen Wehwehchen, auf die ich hier nicht näher eingehen möchte, nicht ganz gelang, habe ich mir für diesen Sonntag einen neuen Anlauf vorgenommen.
Um 10 Uhr sollten wir endlich losfahren, nachdem ich vor Aufregung mindestens zehnmal den kaiserlichen Fußweg gehen musste. Mit höllischen Hitzeentwicklungen im Nacken und einer sehr engen Kommunikation meines Großhirns mit den Eingeweiden, bin ich dann zu meiner Enkelin in den Wagen gestiegen.
Vom ganzen Weg hab ich nichts mitbekommen, weil mich das rege Innenleben meines Verdauungtraktes voll in die Mangel genommen hatte.
Wenn ich mich mal von der Flora meines Intestinums, der Flora der Region Brandenburg zuwenden konnte, fragte mich die Fauna neben meiner Enkelin, alias mein Mann, hämisch, ob ich denn noch nicht aufs WC müsste.
Da wandelte ich im Geiste schon wieder in der Flora meiner unterleiblichen Existenz und schimpfte empört mit der mitfahrenden Fauna, wegen dieser unlöblichen Anspielung auf mein psychosomatisches Manko.
Sanssouci war nicht ohne Sorgen, wie der alte Fritz das herumposaunt hatte. Denn parken kannst du nicht, wenn es Rentnerschwemme aus der ganzen Republik gibt. Die Elbe kann bei Hochwasser unmöglich so viel Wasser transportieren, wie die Reisebusse Mumien.(Selbstironie!)
Dann endlich eine Lücke in einer Reihe von Särgen auf Rädern.
Nichts wie rein und nichts wie raus, denn meine Beine waren geschwollen wie, das würde der Sharuk Khan so ausdrücken, wie sein die Beine der Großtante von indischen Elefant.
Also los durch eines der Tore zum Paradies. Dreimal war ich hier, dreimal musste ich aufgeben, weil irgendein Bestandteil in mir hysterische Signale durch meine Blutbahn mit elektromagnetischen Stromschlägen an die zentrale Zellenobrichkeit schickte. Jetzt habe ich mir vorgenommen, ich humple mich durch, auch wenn’s Elefantenbabys hagelt.
Hach! Da, wo es bei mir immer geheißen hat, jetzt isses aber genug, war's dann auch. Zwar hab ich mich noch bis zum chinesischen Teehaus durchgejammert, dann aber war mein Ausflug zu Ende. Ein Stechen im rechten Fuß schreckte mich in die grausame Wirklichkeit zurück, um dann mit Asteroidengeschwindigkeit bis in meine graue Masse zu blitzten, so dass ich mich festhalten musste an meiner Fauna, sonst hätte ich mich in die Flora gelegt.
Live hab ich dreimal fast nichts gesehen, aber mein Bruder hat ja schon jede Ecke fotografiert und ich bilde mir ein, ich hab es selbst erlebt.
Danach Spargel mit Poulardenbrust und Sauce Hollandaise gegessen. Gefreut weil kein Strafzettel wegen Falschparken da war. Und, aber so was von gefreut, als ich wieder zu Hause war, dass ich noch immer vor Freude gluchze.
Meine Fotos landeten grausam unterbelichtet auf dem dürftigen Speicher meines Fotoapparates. Ich hatte vergessen, einen Speicherchip reinzustecken und so sind sie für die Nachwelt für immer verloren, weil die Autobahn zwischen Fotoapparat und PC irgendwo ins Nirwana abhandengekommen ist.
Seid umschlungen von wem auch immer. Ich kann keinen Finger mehr bewegen. 


© Lisa Nicolis